Die heimischen Orchideen im Allgäu      WWW Allgäu

Von Dieter Gschwend
Schon als Kind zeigte mir mein Vater eine seltene Orchidee, es war die Fliegenragwurz. Als Jugendlicher kannte ich schon sehr viele einheimische Orchideen, aber der Durchbruch kam erst mit der Mitgliedschaft beim AHO Bayern. Im Frühjahr 1996 gründete ich mit 11 Allgäuer Mitglieder die Regionalgruppe Allgäu, die ich bis heute leite. Gleichzeitig wurde ich in den Beirat des AHO Bayern gewählt. Heute zählt die Regionalgruppe Allgäu 43 Einzelmitglieder und 14 Familienmitgliedschaften.
Seit über 10 Jahren erforsche und kartiere ich systematisch die Orchideenflora des Allgäus. Ich wies auch zwei neue Orchideen – Arten Epipactis leptochila, Epipactis microphylla für das Allgäu nach. (Gschwend, 2000b, 2002). Durch meine Kartierung ergaben sich gravierende Änderungen der Verbreitungsübersicht des AHO Bayern vom Jahre 1992 zur Neuauflage 2006 (Quadrantenkartierung 1:25000). Als Beispiel: Listera cordata = 6 zu 43 Messtischblatt - Quadranten (siehe auch Gschwend, 2000 a). Spiranthes spiralis = 4 zu 12 Messtischblatt - Quadranten (siehe auch Gschwend 2001 a).
Ferner fanden sich auch die drei Gymnadenia - Arten und zwei Unterarten die von Werner Dworschak (2002) beschrieben wurden (Gschwend, 2004). In mehrere Veröffentlichungen gab ich meine Forschungsergebnisse über die Verbreitung seltenerer Arten sowie Neuentdeckungen bekannt (Gschwend, 1996 - 2004).

Das Allgäu setzt sich zusammen aus den Landkreisen, Lindau, Oberallgäu, Ostallgäu, Unterallgäu und den kreisfreien Städten, Kaufbeuren, Kempten und Memmingen, sowie Teile von Baden-Württemberg, Wangen im Allgäu, Isny im Allgäu und Leutkirch im Allgäu. Zu den Allgäuer Alpen zählen auch Teile von Österreich wie das Kleinewalsertal (Voralberg), Jungholz und das Tannheimertal (beide Tirol).

Die klimatischen Verhältnisse im Allgäu die zur Orchideenblüte beitragen sind sehr unterschiedlich, die tiefste Stelle am Bodensee liegt bei 395 m und die höchste Stelle im Allgäuer Hauptkamm mit dem Hohe Licht bei 2651 m. Er spielen aber auch andere Faktoren eine große Rolle da sich in größeren Höhenlagen oft Inversionslagen bilden. Es treten im Frühjahr oft sogenannten Luftseen auf die den Wärmeverlust verhindern und kleinklimatische Nischen bilden. Auch der Föhn trägt in den großen Tälern der Iller und des Lechs durch warme trockene Luft zur frühen Schneeschmelze bei.

Die Höhenstufen des Allgäu

Alpine Stufe 1900 - 2600 m

Subalpine Stufe 1300 - 1900 m

Montane Stufe 900 - 1300 m

Kaolline Stufe, Hügelstufe
Talregionen bis 900 m



1. Die kaolline Stufe (Hügel - und Talregionen mit Alpenvorland) bis 900 Meter  

Verlandete Seen und Verlandungszonen noch bestehender Seen bilden in den breiten Alpentälern Feuchtwiesen und Moore mit einer vielfältigen Pflanzenwelt. So finden sich hier noch alle drei Sonnentauarten sowie Sumpf- Blutauge, Fieberklee, Alpen Fetthenne und Schwalbenwurz Enzian.

In den Hügel- und Talregionen im Allgäu ist ein großer Anteil von Viehwirtschaft zu finden der aber allein aus klimatischen Gründen von Nachteil ist. Hier kann die Selbstvermarktung der Milch- und Fleischprodukte ein Weg sein die bäuerlich Struktur der Alpentäler zu bewahren auf denen sich in Jahrhunderten eine Kulturlandschaft mit einer einmalige Pflanzenwelt entwickelte. Ferner müssen die Bauern eine angemessene finanzielle Unterstützung bei landschaftsgerechter Pflege der Trockenrasen und Streuwiesen erhalten um diese einzigartige Landschaft mit ihren einmaligen Flora und Fauna zu erhalten.

Geologie: Helvetikum, Molasse, Quartär

Hauptverbreitung der Orchideenarten: Epipactis purpurata, Hammarbya paludosa, Herminium monorchis Liparis loeselii, Orchis militaris, Orchis morio, Spiranthes spiralis.


2. Die montane Stufe (Bergstufe) von 900 bis 1300 Meter  

Die Berg - oder montane Stufe findet sich im Allgäu bis ca. 1300 m Höhe und ist mit der Durchschnittstemperatur von 8 Grad im Jahr schon sehr rau. Heute findet sich durch die Alpwirtschaft nicht mehr so viel Wald wie vor der Besiedelung. Im unteren Teil der Bergstufe kommen noch selten ursprünglich Laubmischwälder vor, sie wurden von Fichtenmonokulturen verdrängt. In höheren Lagen ist hauptsächlich Weißtanne, Fichte und Bergahorn zu finden. Durch die Alpwirtschaft im Allgäu hat sich auf den extensiven Weideflächen über die Jahrhunderte eine vielfältige Alpenflora angesiedelt.

Geologie: Kalkalpin, Helvetikum, Flysch, Molasse, Quartär

Hauptverbreitung der Orchideenarten: Dactylorhiza majalis, Dactylorhiza incarnata Cephalanthera longifolia, Cephalanthera rubra, Ophrys insectifera, Epipactis helleborine, Epipactis atrorubens.


3. Die subalpine Stufe (Gebirgsstufe) von 1300 bis 1900 Meter  

Die Gebirgsstufe oder subalpine Stufe steigt in der Allgäuer Alpen bis etwa 1900 m Höhe. Hier befindet sich schon die Kampfzone bei einer Durchschnittstemperatur von nur noch 5 Grad im Jahr. Verzahnt mit der Bergstufe im unteren Teil findet sich in der oberen Hälfte die Krummholzregion mit Krüppelbäumen, Latschenkiefern sowie verschiedenen Zwergsträucher.

Geologie: Kalkalpin, Helvetikum, Flysch

Hauptverbreitung der Orchideenarten: Coeloglossum viride, Dactylorhiza majalis ssp. alpestris, Gymnadenia odoratissima var. idae, Nigritella rhellicani, Orchis mascula ssp. speciosa, Orchis ustulata, Pseudorchis albida ssp. tricuspis, Traunsteinera globosa.


4. Die alpine Stufe (Gipfelregionen des Allgäuer Hauptkammes) ab 1900 Meter  

Bis in die Gipfelregionen des Allgäuer Hauptkammes reicht die alpine Stufe. Es findet sich dort nur noch Kniegehölz mit Alpenrosen, Silberwurz, Heidekrautgewächsen und anderen Zwerghölzern. Auf Bergmatten findet sich noch Gemsweiden mit Hartgräsern und auf Fels und Geröll noch Hufeisenklee, Stengelloses Leimkraut und Säuerling. In Felsritzen und mageren Rasen findet man noch das Schweizer Mannsschild und das Edelweiß.

Geologie: Kalkalpin, Helvetikum

Hauptverbreitung der Orchideenarten: Chamorchis alpina

Literature:

Dworschak W. 2002. Gliederung der verschiedenen Erscheinungsformen der Mücken-Händelwurz in Südbayern. Jber. Naturwiss. Ver. Wuppertal. 55: 27-45.

Gschwend D. 1996 a. Verbreitungsübersicht der heimischen Orchideen der Marktgemeinde Hindelang (Oberallgäu). -Ber. Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg). 100(3): 62–65.

Gschwend D. 1996 b. Bemerkenswerte Orchideenvorkommen auf extensiv bewirtschafteten Flächen bei Vorderhindelang (Oberallgäu).- Ber. Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg). 100(4): 92–94.

Gschwend D. 1998. Die Orchideen am Falkensteinhöhenzug zwischen Pfronten - Steinach und Füssen (Ostallgäu).- Ber. aus den Arbeitskreisen Heimischer Orchideen 15(1): 79-84.

Gschwend D. 2000 a. Neue Standorte von Listera cordata (Orchidaceae) im Allgäu. - Ber. Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg). 104: 40-42.

Gschwend D. 2000 b. Epipactis leptochila am Rand der Allgäuer Alpen (Ostallgäu). - Ber. aus den Arbeitskreisen Heimischer Orchideen Jahrgang. 17(1): 44-45.

Gschwend D. 2001 a. Neue Standorte von Spiranthes spiralis Orchidee des Jahres 2001 im Allgäu. - Ber. des Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg). 105: 67–68.

Gschwend D. 2001 b. Neue Gattungszuordnung einiger Orchideen-Arten Schwabens? - Ber. Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg).105: 69

Gschwend D. 2002. Erstfund der Kleinblättrigen Ständelwurz im bayerischen Allgäu. - Ber. Naturwiss. Ver. Schwaben (Augsburg). 106: 32–33

Gschwend D. 2004. Die wildwachsenden Orchideen des bayerischen Allgäus. – Mitt. Bl. Arbeitskr. Heim. Orch. Baden-Württ. 36(3): 827–836.